La vie beninoise

Dieses mal will ich versuchen die beninische Lebensart in meinem Verständnis zu umreißen. Das Ganze ist natürlich mit vorsicht zu genießen. Mein Vorwissen dazu war eher beschränkt. Zu Afrika waren meine ersten Assoziationen, dass hier viel getanzt wird, man lebensfroh ist und es nicht so genau mit der Uhrzeit nimmt. Für mich die gängigsten Klischees. Jetzt habe ich die Chance einfach mal direkt zu fragen, was Leute vor Ort von diesen Thesen halten.


Bis jetzt hat noch jeder zugestimmt, dass es Beniner gibt, die gelegentlich nicht ganz pünktlich sind. "Les Européens ont l'heure, les Africans ont le temps.", war ein Kommentar dazu, den ich interessant finde. Das ganze heisst ungefähr: "Die Europäer haben die Uhr(-Zeit), die Afrikaner haben die Zeit". Ich bin selber nicht immer der pünktlichste und deshalb verwundert, dass ich diese Tugend hier zu schätzen lerne. Der Französischkurs hat fast immer mit Verspätung angefangen. Einem Lehrer war das dann auch zu viel und er führte eine Strafe fürs Zuspätkommen ein. Am folgenden Tag fehlten um acht Uhr zwei Drittel der Klasse, inklusive dem Lehrer. Der kam mit 30 Minuten Verspätung, weil er noch eine Bewerbung abgeben musste. Damit war die Strafe dann aufgehoben. Es gibt auch genug Personen, die sehr genau mit der Uhrzeit sind. Insgesamt würde ich aber doch die These aufstellen, dass man hier im Durchschnitt etwas gemütlicher mit der Zeit umgeht, was auch oft etwas Schönes ist.


Das spiegelt sich auch in der Begrüßung wieder. Nur mit einem kurzen "bonjour" an Bekannten vorbeizurennen ist, auch wenn man gerade keine Zeit hat(hihi), sehr unhöflich. Für ein paar Sätze muss man auf jeden Fall anhalten. Ich würde es als Wahl der Priorität bezeichnen, ob man noch verweilt und damit eine Verspätung in Kauf nimmt oder das vertagt und dafür pünktlich ist. Für mich war das vorher nie so wirklich eine bewusste Entscheidung. Es war klar, dass ersteres Vorrang hat. Den meisten ist eine Verspätung des Gegenübers auch nicht so schlimm. Während ich dann normalerweise naserümpfend auf die Uhr gucke, suchen sich echte Beniner eine Beschäftigung, quatschen mit dem der gerade da ist oder verweilen einfach. Da kann ich doch durchaus noch etwas lernen, merke aber auch, dass es für mich Grenzen gibt. 


Im Folgenden eine dazu passende Situation aus der ersten Woche. Ich war auf Erkundungstour und wollte unbedingt den Strand sehen. Im Internet habe ich mir den Weg angeguckt, war mir aber auf halber Strecke doch ein wenig unsicher. Hätte ich bei Rue 12.234 oder doch bei Rue 12.243 abbiegen müssen? Fast alle Straßen sind einfach durchnummeriert, was doch schnell für Verwirrung sorgt, deshalb habe ich vorsichtshalber einen Polizisten nach dem Weg gefragt. "Excusez-moi, je voudrais aller à la plage. Vous connaissez le chemin?", müsste ungefähr der Wortlaut gewesen sein. Kurz, präzise und die Aussprache hat auch gestimmt. Ich war zufrieden mit mir.


Er war aber total beleidigt.


Ich konnte mir das nicht erklären. Habe ich etwas falsch gemacht oder ist er einfach nur schlecht drauf? Ich habe nachgefragt und er hat mir dann auch erklärt woran es gelegen hat. Wie könnte ich jemanden ansprechen, ohne ihn zu begrüßen und zu fragen wie es ihm geht. So ganz konnte ich das nicht verstehen. Das mit dem "Guten Tag" war für mich noch nachvollziehbar, selbst das würde ich aber nicht als unhöflich einschätzen. Ich will den guten Mann ja gar nicht lange von der Arbeit abhalten. In Deutschland würde ich auch niemals einen fremden Polizisten nach dem befinden fragen, aber "ca va?" gehört hier so obligatorisch zur Begrüßung, wie die piments zur pâte. Von der Anonymität einer Großstadt ist in der Millionenstadt Cotonou auch nicht viel zu spüren. Menschen kommen sehr schnell miteinander ins Gespräch und für mich als Weißen gilt das nochmal besonders. Wenn man einen sympathischen Mototaxifahrer erwischt quatscht man halt noch 10 Minuten darüber was den deutschen Straßenverkehr vom Beninischen unterscheidet oder über die neusten Fußballergebnisse.
An dieser Stelle möchte ich mich bei der deutschen Nationalmannschaft bedanken.

Das nächste mal werde ich hier anknüpfen.