Encore la vie benionoise

Place de la revolution
Place de la revolution
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Man hat insgesamt wenig Zeit für Eile. Es ist auch einfach zu warm dafür. Wenn die Sonne im Zenit steht passiert nicht viel. Dann dösen die Verkäufer hinter ihren Ständen und die Mototaxifahrer nehmen sich eine Auszeit auf ihren Maschinen, im Schatten. Zu meiner inzwischen routinemäßigen Mittagssiesta gibt es Musik von Sagbohan Danialou. Wer mal auf beninisch entspannen will hört sich "Aller à l'école" an. Ein Träumchen. Neben der kurzen Mittagspause wird viel gearbeitet. "Travail" gehört halt zur Devise Benins ("Justice, Travail, Fraternité"). Die relativ hohe Arbeitslosigkeit, die besonders bei Jugendlichen ein Problem ist, führt dazu, dass für wenig Geld viel getan werden muss. Der "Smig"(der beninische Mindestlohn) wurde 2014 auf 42.000 CFA im Monat angehoben, ungefähr 65€. Dieser wird gewährt bei einer 40-Stunden Arbeitswoche.

Meine Lieblingsberufsgruppe sind die Securitymänner. Selbst der kleinste Supermarkt hat rund um die Uhr einen Mann vor der Pforte sitzen, der hauptsächlich die Leute begrüßt. Sie kennen sich gut in der Gegend aus, wollen kein Geld, haben meistens nichts zu tun und freuen sich wenn jemand mit ihnen quatscht. Der perfekte Gesprächspartner. Vor jeder Bank steht sogar ein schwer Bewaffneter im Tarnmuster, mit einer riesigen Kanone um den Hals hängen. Das hat mir am Anfang mehr das Gefühl von Sicherheit genommen als gegeben, die Jungs sind aber auch echt nett. Einer hat mir mal bei einer Überweisung geholfen, als ich daran verzweifelt bin.

Als Zeichen guter Freundschaft gilt, auch unter Männern, ein kurzes Händchen halten. Besonders innerhalb der Familie ist das weit verbreitet. An diesen Stellen merke ich wofür man die Vorseminare macht. Hätte ich das nicht gewusst, wäre nicht Freundschaft das erste gewesen an das ich gedacht hätte, als der für mich Zuständige meine Hand greift. Komisch fand ich das zwar trotzdem noch, habe mich aber über die Geste doch freuen können.

In diesen Situationen fühle ich mich wieder wie ein kleines Kind, das die sozialen Spielregeln nicht versteht. Schritt für Schritt taste ich mich an alles ran und mache dabei auch genug "Fehler". Ich habe halt schon meine Verhaltensmuster, Normen, Werte und Gewohnheiten, die man nicht einfach ablegen kann, ich zum größten Teil gar nicht ablegen will. Spannend wird es wenn ich fremde Menschen und Situation einschätzen muss. Wann muss ich aufpassen, wer meint es nicht gut mit mir und in welchen Fällen sind der deutsche und der beninische Maßstab nicht der gleiche? Bei diesem Spiel lernt man sich auch selber ganz neu kennen.

Jetzt will ich den Dank an die deutsche Fußball Nationalmannschaft nochmal aufgreifen. Sie haben einen Symathiebonus geschaffen, der wahrscheinlich stärker ist als jegliche Summe Geld. Jeder, der ein bisschen was von Fußball hält, kennt den Weltmeister und seine Spieler. Ein schöner Gesprächsstart. Es ist jedes mal wieder witzig, wie die deutschen Namen ausgesprochen werden. Ich heiße inzwischen auch nicht mehr Max sondern Mas. Gewöhnt man sich auch schnell dran. Zimmermann habe ich auch schon in den verrücktesten Versionen gehört und gesehen. Mit einem "Z" hat noch nie jemand angefangen. Das gleiche gilt natürlich auch für mich, bei afrikanischen Namen. Diese sind zum gleichen Teil wie Französische verbreitet, die ich mir deutlich besser merken kann. Bei einer Uduakr(Rechtschreibung fraglich) muss ich nochmal nachdenken. Da fällt mir ein Claude doch deutlich leichter.


Letzte Woche habe ich meine allerersten Deutschen getroffen, seit dem ich hier bin! Es hat mich selber überrascht wie glücklich ich war endlich mal wieder Deutsch sprechen zu können und tatsächlich haben sich die ersten Worte sogar komisch angefühlt. Sie waren Studenten aus Frankfurt, haben die Städtenamen falsch ausgesprochen, kannten sich kein bisschen aus, konnten kaum ein Wort Französisch und wollten "erst die Unfallstatistik sehen bevor sie mit den Mototaxis fahren". Die Deutschen. Es war seltsam ihnen zuzuhören. Diese Dinge sind mir nicht mehr so fremd. Zum ersten Mal habe ich mich auch auch ein Stück beninisch gefühlt. Es ist schön zu spüren, dass man langsam ankommt.