Savè

Völlig überraschend fühlt sich für mich der Schritt nach Save größer an als der von Deutschland nach Cotonou. Die Leute reagieren nochmal anders und damit hätte ich ehrlich gesagt nicht gerechnet. Das Rätsel, wieso ich oft der "Chinois" bin, hat sich gelöst. Drei Chinesen sollen hier eine Zuckerrohrplantage betreiben, gesehen habe ich sie aber noch nicht. Außer ihnen bin ich der einzige Nichtafrikaner in einem Städtchen von über 50.000 Einwohnern und das fühlt sich oft komisch an.

 

Kinder zeigen extremere Reaktionen. Manche kommen angerannt und wollen mich anfassen, andere zeigen mit dem Finger auf mich und schreien minutenlang "YOWO, cadeau". Die ganz Kleinen haben oft Angst vor mir und verstecken sich. Inzwischen habe ich gelernt, ein wenig mit der Aufmerksamkeit zu spielen, trotzdem ist es ziemlich anstrengend. Wie ein Disneystar kann ich nicht ohne Kindergeschrei auf die Straße gehen.

 

In Cotonou war der weiße Mann der Tourist oder Geschäftsmann, hier ist er der Entwicklungshelfer oder Missionar. Sehr oft werde ich für einen Priester oder Professor gehalten, es kommt auch vor, dass ich nach Diagnosen gefragt werde. Wahrscheinlich überschätzen deshalb auch viele mein Alter. Schätzungen fangen bei 25 an und haben ihre Spitze bei 35 Jahren gefunden. Es kann aber auch an meinem extremen Bart liegen, den ich mir, seit dem mein Rasierer gestohlen wurde, öfters mal stehen lasse. Geld ist und bleibt ein schwieriges Thema. Durch diesen Faktor verzerren sich die Beziehungen und das Zwischenmenschliche fühlt sich oft unecht und verfälscht an. Wenn sich Sting als "English Man in New York" wie ein Alien gefühlt hat, wird es schwer für mich das Richtige zu finden.

 

Das Ganze gibt mir aber das Gefühl, dass mein Freiwilligen Dienst nicht nur ein Spaßtrip ist, sondern auch seinen Sinn hat. Die Größe meines Beitrags an der Schule sei mal dahingestellt (dort gibt es es auch noch mittelschwere Probleme), aber nach mir werden die Kinder vielleicht nicht mehr so ausflippen, wenn sie einen Weißen sehen. Da ist der weiße Mann vielleicht nicht mehr nur der zwei Wochen Entwicklungshelfer sondern auch der, der ein Jahr hier gewohnt hat, und auch in der Kirche und auf dem Fußballplatz war. Interkulturelles Lernen beginnt halt immer mit dem Kennenlernen.